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Ein-Bit-Speicher
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In der Wirklichkeit und auch in der Digitaltechnik kommt es oft
darauf an festzustellen, ob sich irgendwann etwas ereignet hat.
Das Ereignis soll festgestellt und diese Tatsache festgehalten
werden, egal ob es noch einmal passiert oder nur einziges Mal.
Hat ein Sensor einmal festgestellt, dass der erste Wettläufer
die Ziellinie überschritten hat oder dass ein Fenster oder
eine Tür aufgehebelt worden ist, soll das festgehalten und
gespeichert werden. Selbst wenn der Wettläufer in seiner
Gewinnerfreude wieder hinter die Ziellinie läuft oder der
Einbrecher die Tür wieder zumacht, ändert das am
eingetretenen Ereignis nichts. Was danach noch alles passiert,
soll nichts mehr am Zustand ändern.
Dafür braucht man bei Digitaltechnikers Flipflops. Nämlich
R-S-Flipflops, wobei "R" für Rücksetzen oder
englisch RESET steht, "S" für Setzen oder englisch
SET. Die Flipflops kippen bei bei dem Ereignis um (S) und bleiben
dann so stehen. Sie halten den Zustand so fest, deshalb heißen
sie englisch auch Latch, was so viel bedeutet wie
"Auffangregister" oder "Einraster". Erst wenn
die Polizei mit dem Schlüssel für die Alarmanlage kommt,
wird der Einbruchsmelde-Flipflop wieder auf RESET gestellt (R).
Dazwischen bleibt der Flipflop stur so stehen wie es der Einbrecher
mit dem S-Ereignis gesetzt hat. Selbst wenn er noch weitere
Türen oder Fenster öffnet oder den Sensor ausbaut, er
kriegt den Alarm nicht mehr abgestellt. Und wenn die Alarmanlage
auf Batterie oder Akku läuft, hilft auch Stromabstellen
nichts.
So einen R-S-Flipflop bauen wir in diesem Experiment, mit zwei
NAND-Gattern in einem 4093.
Die Schaltung sieht so aus:
Das Latch sind die beiden linken NAND-Gates, deren Ausgänge
jeweils mit einem Eingang des jeweils anderen NANDs verbunden sind.
Die beiden anderen NAND-Gatter des 4093 dienen nur als Verstärker
zum Antreiben der Leuchtdioden.
Die beiden Eingänge sind mit Widerständen von 470 kΩ
an die positive Betriebsspannung gelegt. Wird der untere oder obere
Sensoreingang berührt, dann werden der untere bzw. der obere Eingang
auf logisch Null gezogen und der Flipflop kippt.
Das NAND-IC 4093,
sein Inneres, die 14-polige
IC-Fassung, die Widerstände von
1 kΩ und die LEDs kennen wir
schon, bleiben nur die 470k-Widerstände.
So sehen die beiden 470k-Widerstände aus.
Die Ringe gelb (vier), violett (sieben), schwarz (null) und orange (drei
Nullen) geben den Wert an.
Die für dieses Experiment benötigten Bauteile sind in der
Bauteilliste für den
Versandhandel Reichelt
aufgelistet.
Der Aufbau erfolgt so:
Die Rückseite des 4093 sieht im Detail so aus:
Man beachte die beiden Brücken, die die beiden Eingänge miteinander
kurzschließen.
Wenn beide Eingänge High sind, kennt so ein RS-Latch zwei stabile
Zustände:
Im rückgesetzten Zustand (links) sind beide Eingänge des oberen NAND
High, sein Ausgang ist folglich Low. Da damit einer der beiden Eingänge
des unteren NAND immer Low ist, ist sein Ausgang immer high. Das ändert
sich auch nicht, wenn wir den freien Eingang des unteren NAND auf Low ziehen
würden, denn dadurch ändert sich der untere NAND-Ausgang nicht.
Das untere NAND ist inaktiv, nur der freie Eingang des oberen NAND hört
uns zu. Geht der obere freie Eingang auf Low, dann wechselt der Ausgang des
oberen NAND auf High. Dadurch kriegt das untere NAND an beiden Eingängen
High und sein Ausgang wechselt auf Low. Dadurch wird aber auch der über
Kreuz verkoppelte Eingang des oberen NAND auf Low und hält den Ausgang
des oberen NAND auf High. Selbst wenn der freie Eingang des oberen NAND
jetzt wieder auf High wechselt, hält das untere NAND das obere weiter
im gleichen Zustand. Der Flipflop ist gekippt und hat jetzt den Zustand
rechts im Bild.
Jetzt hört das obere NAND nicht mehr zu, nur das untere. Wenn dessen
freier Eingang auf Low geht, dann kippt der Flipflop wieder zurück.
Etwas verwirrend ist die Unterscheidung in "Rückgesetzt"
und "Gesetzt" deshalb, weil wir eigentlich dazu sagen müssten,
aus welcher Sicht wir das sehen: aus Sicht des oberen oder des unteren
NAND. Beide sind ja spiegelverkehrt. Wir werden später noch an anderen
Fällen sehen, dass gesetzt und rückgesetzt sinnvolle Begriffe
sind, um den Zustand von Flipflops zu benennen.
Gehen beide freien Eingänge auf Low, dann sind beide NAND-Ausgänge
High. Das bleibt so lange so, bis einer der beiden freien Eingänge
wieder High wird, dann gewinnt also die Seite, die ein klein wenig
länger auf Low bleibt. Und mit "ein klein wenig" meinen
wir in diesem Fall weniger als eine Millionstel Sekunde.
Gehen aber beide wirklich gleichzeitig auf High, dann haben wir ein
unvorhersehbares Ergebnis: einer der beiden gewinnt den Zweikampf, weil
nicht beide gewinnen können. Welche Seite das ist, ist unbekannt.
Solche Fälle sind in der Digitaltechnik des Teufels, weil sie zu
unvorhersehbaren Reaktionen führen. Man stelle sich vor, dass das
Garagentor wegen so einem blöden Fehler zugeht, während man
sein Auto gerade mitten drunter stehen hat und in die Garage herein-
oder herausfahren will. Ein verbeultes Dach und Lackschäden sind
das Mindeste.
Entwicklungsingenieure müssen solche Ausnahmesituationen in ihren
Schaltungen sorgfältig vermeiden. Wir können in unserer
Schaltung die beiden Eingänge zusammenschalten und auf Null
ziehen und loslassen und so herauskriegen, welches NAND den Zweikampf
gewonnen hat und mit mehrfachen Versuchen feststellen, ob immer
dasselbe gewinnt.
©2012 by Gerhard Schmidt